"First Light" — Probleme zum Beginn einer neuen
Ära in der Astronomie
Von Beginn des ehrgeizigen Projekts an waren die Erwartungen der Astronomen
an ihr neues und einzigartiges Instrument sehr hoch, sollte das Hubble
Space Telescope doch vorher nie dagewesene astronomische Beobachtungen
und Entdeckungen ermöglichen.
Am 20. Mai kam für alle beteiligten Institutionen und Wissenschaftler
die Stunde der Wahrheit: Für das "Erste Licht" richtete
sich das HST auf den Sternenhaufen NGC 3532 aus, 1300 Lichtjahre von
der Sonne entfernt. Das empfangene Bild war jedoch unscharf. Ein solches
Ergebnis war erwartet worden, hatte man doch zu Beginn damit gerechnet,
verschiedene Justierungen durchführen zu müssen. Aber auch
bei anderen Objekten war die Bildqualität unbefriedigend. Nach
aufwändigen Untersuchungen kam die NASA zu dem Schluß, daß
das Herzstück des Teleskops, der Primärspiegel, in eine falsche
Form geschliffen worden sein mußte.
Zur Kontrolle der exakten Form des Spiegels benutzte die Herstellerfirma,
Perkin-Elmer Corporation, ein eigens dafür gebautes optisches Gerät.
Dieser Autokollimator (ein sogenannter Nullkorrektor), mit dem die computergesteuerten
Schleifmaschinen kalibriert wurden, wies unbemerkt eine Abweichung auf,
hervorgerufen durch eine winzige Unregelmäßigkeit. Diese
fehlerhafte "Eichung" des Prüfgerätes bedingte,
dass die Oberfläche des Primärspiegels an seinen Rändern
um 0,002 Millimeter zu flach geschliffen wurde. Die Folge war eine "sphärische
Aberration", so dass sich nur knapp 20% statt der berechneten 70%
des Lichtes im Brennpunkt konzentrierten.
Damit war klar: das Milliarden Dollar teure Hubble Space Telescope hatte
einen "Sehfehler"!
Das HST sah nur unscharf — und sollte eine "Sehhilfe"
bekommen
Die COSTAR-KorrekturoptikAuf drei
der fünf Instrumente hatte dieser Makel keinen Einfluß auf
die Leistungsfähigkeit. Betroffen waren die Kameras, die ihre Beobachtungen
überwiegend im sichtbaren Licht durchführten. Durch diese
ernste "Schlappe" geriet die NASA erneut unter starken Druck
der Öffentlichkeit. Nach gründlichen Überlegungen in
der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde zeichnete sich als
Lösung des Problems die Anfertigung einer speziellen "Sehhilfe"
durch weitere optische Elemente für das Teleskop ab. Eine nachträgliche
Korrektur war möglich, weil der Fehler des Autokollimators bei
einer genauen Untersuchung rekonstruiert werden konnte und der Spiegel
sehr genau in diese falsche Form gebracht worden war. Das HST war bewußt
weitgehend modular/standardisiert aufgebaut und von Anfang an für
regelmäßige Service- und Reparaturmissionen ausgelegt. Damit
war die Möglichkeit gegeben, dass mit der Zeit defekte oder veraltete
Geräte/Instrumente gegen neuere und leistungsfähigere ausgetauscht
werden konnten.
Spiegel-Schwenkarme der COSTAR-
Korrekturoptik im DetailDie Lösung des Problems war
eine etwa telefonzellengroße Box mit der Bezeichnung Corrective
Optics Space Telescope Axial Replacement, kurz COSTAR genannt. Dieses
Gerät enthält mehrere kleine Spiegel, die so geschliffen wurden,
daß sie den minimalen geometrischen Fehler des Primärspiegels
exakt ausgleichen konnten. Diese Spiegel sind zu fünf Paaren auf
kurzen Schwenkarmen angebracht und können in den Strahlengang der
drei axial plazierten Instrumente Schwachobjekt-Kamera, Schwachobjekt-Spektrograf
und Hochauflösungs-Spektrograf eingebracht werden. Gebaut wurde
die COSTAR-Korrekturoptik von Ball Aerospace in Boulder, Colorado, für
50 Millionen US-Dollar. Entwicklung und Bau mußten nach NASA-Vorgaben
innerhalb von nur 26 Monaten abgeschlossen sein.
Weil sich das Hochgeschwindigkeits-Fotometer (HSP) während seiner
Betriebszeit als am wenigsten effektiv herausgestellt hatte, sollte
es gegen die COSTAR-Korrekturoptik ausgetauscht werden. Der Austausch
sollte bei der ersten planmäßigen Servicemission vorgenommen
werden.
Mission STS-61 SM1 — Die erste Servicemission zum Hubble
Space Telescope
Crewemblem STS-61Am 2. Dezember
1993 startete das Space Shuttle "Endeavour" zum 59. Flug des
Programms. Es war der fünfte Einsatz der jüngsten Space Shuttle.
Mit an Bord befanden sich diesmal sieben Astronauten und eine große
Anzahl an Ersatzteilen für das Teleskop, darunter auch die COSTAR-Korrekturoptik.
Nach der Mondlandung mit Apollo 11 in Jahre 1969 sollte es die schwierigste
und komplexeste Mission der bemannten amerikanischen Raumfahrt werden.
Die NASA stand unter extremen Erfolgsdruck, zeitweilig wurde in der
Öffentlichkeit die Zukunft des Space Shuttle-Programms vom Erfolg
dieser Mission abhängig gemacht.
Während des ersten Außenbordeinsatzes tauschten die Astronauten
drei verschlissene Schwungräder des Lageregelungssystems aus und
setzten neue, stärkere Sicherungen ein. Beim zweiten Außenbordeinsatz
wurden die alten Solargeneratoren ebenfalls gegen neue und leistungsfähigere
ersetzt. Im Zuge des dritten Außenbordeinsatzes wurde die alte
Weitfeld/Planetenkamera (WF/PC) gegen eine neue (WF/PC2) ausgetauscht
und an der Teleskop-Öffnung zwei neue Magnetometer angebracht.
Die COSTAR-Korrekturoptik vor dem
Einbau in das Hubble Space TelescopeWährend des vierten
Außenbordeinsatzes wurde das Hochgeschwindigkeits-Fotometer (HSP)
gegen die COSTAR-Korrekturoptik ausgetauscht und dem HST die "Brille
aufgesetzt". Beim fünften und letzten Außenbordeinsatz
behoben die Astronauten Probleme mit den neuen Solargeneratoren und
führten Reparaturen am Hochauflösungs-Spektrograf (GHRS) des
Goddard Space Flight Center durch. Nach Abschluss der Außenbordaktivitäten,
die insgesamt 35 Stunden und 28 Minuten dauerten, hob das Space Shuttle
mit seinen Triebwerken die Umlaufbahn um mehrere dutzend auf rund 580
Kilometer Höhe an. Nach dem Wiederaussetzen des Hubble Space Telescope
landete die "Endeavour" am 13. Dezember 1993 nach 10 Tagen,
19 Stunden und 37 Minuten im Kennedy Space Center.
Zum
Missions-Report STS-61 des Kennedy Space Center
Links: Sternenfoto ohne COSTAR, rechts
gleicher Stern mit COSTAR abgelichtetBereits am 17. Dezember
1993 überprüfte eine Gruppe von Wissenschaftlern des STScI,
ob der "Eingriff" erfolgreich war. Erste astronomische Aufnahmen
bestätigten, dass die COSTAR-Korrekturoptik wie erwartet funktionierte.
Damit hatte das Hubble Space Telescope auch im Bereich des sichtbaren
Lichtes seine vollständige Leistungsfähigkeit erreicht.
Neben den vielen Aufnahmen von Planeten, interplanetarischer Nebeln
und Galaxien war die Beobachtung der 21 Bruchstücke des Kometen
Shoemaker-Levi 9 ein Höhepunkt, als diese am 16. Juli 1994 auf
den Jupiter stürzten.
Mission STS-82 SM2 — Die zweite Servicemission zum HST
Crewemblem STS-82Am 11. Februar
1997 startete das Space Shuttle "Discovery" zu seinem 22.
Flug und zum 82. Flug des Programms. Ziel der Mission und der siebenköpfigen
Crew war erneut das Hubble Space Telescope. Am dritten Missionstag wurde
das HST mit dem Greifarm des Space Shuttle eingefangen und in den Haltevorrichtungen
in der Ladebucht verankert. Am vierten Missionstag begann der erste
Außenbordeinsatz der Astronauten. Sowohl der Schwachobjekt-Spektrograf
(FOS) als auch der Hochauflösungs-Spektrograf (GHRS) wurden ausgebaut
und durch den Raumteleskop-Bildspektrograf (STIS) und das Gerät
Nah-Infrarotkamera/Multiobjekt-Spektrometer (NICMOS) ausgetauscht. Während
des zweiten Außenbordeinsatzes wurde ein defekter Feinsteuerungssensor
ersetzt und eine verbesserte Elektronik des Lageregelungssystems eingebaut.
Zudem wurde ein defekter Datenrekorder zur Aufzeichnung von technischen
und wissenschaftlichen Meßwerten repariert. Beim dritten Einsatz
am HST tauschten die Astronauten ein Bandaufzeichnungsgerät gegen
einen digitalen Datenrekorder und eine Datenschnittstelle aus. Während
des vierten Außenbordeinsatzes wurde die Motorelektronik der Solargeneratoren
erneuert, Schutzverkleidungen an den Magnetometern ausgetauscht und
Löcher in der Isolationsschicht der Teleskop-Außenhaut repariert.
Entgegen ursprünglicher Planung erfolgte ein fünfter Außenbordeinsatz,
damit weitere Schäden an der Isolationsschicht beseitigt werden
konnten. Während das Teleskop in der Ladebucht des Space Shuttle
verankert war, zündeten mehrmals die Manövriertriebwerke der
"Discovery", um die Umlaufbahn wieder um mehrere dutzend Kilometer
anzuheben. Nach Abschluß der Reparaturarbeiten wurde das HST am
19. Februar wieder ausgesetzt. Damit waren die Aufgaben dieser Mission
erfüllt und die "Discovery" kehrte am 21. Februar aus
dem All zurück. Die Landung erfolgte auf der Landebahn 33 des Kennedy
Space Center 9 Tage, 23 Stunden und 37 Minuten nach dem Start. Während
der fünf Außenbordeinsätze verbrachten die Astronauten
insgesamt 33 Stunden und 11 Minuten im Weltraum.
Zum
Missions-Report STS-82 des Kennedy Space Center
Mission STS-103 SM3A — Die dritte Servicemission zum
HST
Crewemblem STS-103Am 19. Dezember
1999 startete erneut das Space Shuttle "Discovery", um dem
Weltraumteleskop wieder einen Besuch abzustatten. Es war der 96. Flug
des Programms, der 27. Einsatz des "Arbeitspferdes" der NASA
und das dritte Mal in der Geschichte der US-Raumfahrt (nach Apollo 8,
1968 und Skylab 4, 1973/74), dass sich Astronauten über Weihnachten
im Weltraum befanden. Mit an Bord befanden sich auch diesmal sieben
Astronauten.
Das Rendezvous mit dem Hubble Space Telescope erfolgte am 21. Dezember.
Ende November war das HST in einen Sicherheitsmodus gegangen, weil das
vierte von sechs Schwungrädern zur Lageregelung versagte. Nach
dem Einfangen und der sicheren Verankerung in den Haltevorrichtungen
konnte am 22. Dezember mit dem ersten Außenbordeinsatz begonnen
werden. Hauptaufgabe der Astronauten war, alle sechs Schwungräder
gegen neue auszutauschen. Anschließend wurden eventuell vorhandene
gasförmige Reste des Kühlmittels (Stickstoffeis) des NICMOS-Instrumentes
abgelassen und Schutzgeräte eingebaut, die die betagten Akkus beim
Laden vor Überhitzung schützen sollten. Während des zweiten
Außenbordeinsatzes wurde der aus den 70er Jahren stammende Bordcomputer
gegen einen 486er-Rechner ausgetauscht. Als zweites wurde ein Feinsteuerungssensor
durch ein Gerät ersetzt, das 1997 während der Mission STS-82
ausgebaut und zwischenzeitlich repariert worden war. Beim dritten Außenbordeinsatz
wurde der erneuerte Feinsteuerungssensor neu verkabelt, ein S-Band-Tansmitter
der Kommunikationsanlage ersetzt und ein neuer digitaler Datenrekorder
eingebaut. Zum Schluss wurden Teile der bei der Mission STS-82 behelfsmäßig
angebrachten Isolationsschicht-Abdeckungen erneuert. Seit dem 21. Dezember
erfolgten mehrere Zündungen der Manövriertriebwerke des Space
Shuttle, um die Umlaufbahn der HST wieder anzuheben. Am 25. Dezember
wurde das Teleskop wieder im All ausgesetzt. Während der Außenbordeinsätze
hielten sich die Astronauten insgesamt 24 Stunden und 33 Minuten im
All auf. Die Mission STS-103 endete am 27. Dezember 1999 mit der 13.
Nachtlandung des Space Shuttle-Programms und der achten Nachtlandung
im Kennedy Space Center. Insgesamt dauerte die Mission STS-103 der "Discovery"
7 Tage, 23 Stunden und 10 Minuten.
Zum
Missions-Report STS-103 des Kennedy Space Center
Mission STS-109 SM3B — Die vierte Servicemission zum
HST
Crewemblem STS-109Am 1. März
2002 startete das Space Shuttle "Columbia" zur 108. Flug des
Programms und zu seinem 27. Einsatz. Es war die letzte erfolgreich beendete
Mission des dienstältesten Orbiters der NASA. Knapp ein Jahr später,
am 1. Februar 2003, ging die "Columbia" mit ihrer Crew nach
zwei Wochen in der Erdumlaufbahn beim Wiedereintritt in die Atmosphäre
verloren.
Zum bereits vierten Mal war das Hubble Space Telescope das Ziel der
ersten Mission im Jahr 2002. Wie bei den vorangegangenen Service-Missionen
hatte die siebenköpfige Crew die Aufgabe, das HST mit neuen technischen
Geräten auszustatten und auf eine höhere Umlaufbahn zu bringen.
Bereits am zweiten Flugtag wurde das Weltraumteleskop eingefangen und
in der Shuttle-Ladebucht verankert. Anschließend wurden die beiden
seit 1993 angebrachten Solargeneratoren eingefahren. Während des
ersten Außenbordeinsatzes wurde einer davon abmontiert und ersetzt.
Im Gegensatz zu den früher verwendeten Solargeneratoren werden
die neuen nicht mehr ausgerollt sondern ausgeklappt, sind 20% leistungsfähiger
und um etwa ein Drittel kleiner, was auch die Bremswirkung der Restatmosphäre
verringert. Dadurch verliert das HST weniger schnell an Höhe als
früher. Die neuen Solargeneratoren wurden erstmals nicht von der
ESA geliefert, sondern vom Goddard Space Flight Center entwickelt und
gebaut. Beim zweiten Außenbordeinsatz wurde dann der zweite Solargenerator
sowie ein Schwungrad ausgetauscht. Während des dritten Außenbordeinsatzes
wurde die komplexeste und kritischste Arbeit durchgeführt: Wegen
der stärkeren Solargeneratoren mußte die alte, noch aus den
achtziger Jahren stammende zentrale Strom-Kontrolleinheit gegen eine
leistungsfähigere ausgetauscht werden. Dafür mußte das
HST zum ersten Mal seit 1990 komplett abgeschaltet werden. Fünf
Stunden nach der "Vollnarkose" konnte das Weltraumteleskop
problemlos reaktiviert werden, nachdem die 36 vorher gelösten Stromverbindungen
korrekt wiederhergestellt waren. Im Zuge des vierten Außenbordeinsatzes
wurde die Schwachobjekt-Kamera (FOC) gegen ein neues, fortgeschrittenes
Kamerasystem ausgetauscht. Die FOC war das letzte verbliebene wissenschaftliche
Instrument der technischen Erstausstattung des HST von 1990. Damit hatte
dann auch die COSTAR-Korrekturoptik ausgedient, weil die übrigen
Instrumente den optischen Fehler des Primärspiegels selbst ausgleichen
konnten (Die COSTAR-Korrekturoptik verblieb aber noch im Teleskop und
sollte bei der nächsten Service-Mission gegen ein wissenschaftliches
Instrument ausgetauscht werden).
Danach wurde ein Steuergerät für ein neues mechanisches Kühlsystem
in das NICMOS-Instrument eingebaut. Durch den unerwartet schnellen Verbrauch
des mitgeführten Kühlmittels durch ein "Kälteleck"
war dieses Instrument bereits knapp drei Jahre zuvor ausgefallen. Während
des fünften und letzten Außenbordeinsatzes wurde das neue
Kühlsystem in das NICMOS-Instrument eingebaut und mit dem zuvor
installierten Steuergerät verbunden. Am 9. März wurde das
Hubble Space Telescope wieder im All ausgesetzt.
Nach 10 Tagen, 22 Stunden und 11 Minuten Missionsdauer setzte das Space
Shuttle "Columbia" zum letzten Mal zur Landung auf der Landebahn
33 des Kennedy Space Center auf.
Zum
Missions-Report STS-109 des Kennedy Space Center
Mission STS-125 SM4 — Die fünfte Servicemission
zum HST
Crewemblem STS-125Am 11. Mai 2009
startete das Space Shuttle "Atlantis" zur 126. Flug des Programms
und zu seinem 30. Einsatz. Zum fünften und somit letzten Mal wurde
das Hubble Space Telescope angeflogen. Auch bei dieser Service-Mission
hatte die siebenköpfige Crew die Aufgabe, das HST mit neuen technischen
Geräten auszustatten und wieder auf eine höhere Umlaufbahn
zu bringen. Am zweiten Flugtag erfolgte die Untersuchung des Orbiters
mit dem Manipulatorarm/OBSS.
Diese Prozedur wurde nach dem Verlust des Orbiters "Columbia"
2003 mit Wiederaufnahme des Flugprogramms im Jahr 2005 eingeführt,
um die besonders empfindlichen Kacheln des Hitzeschutzschildes auf der
ansonsten nicht einsehbaren Shuttle-Unterseite auf Schäden zu kontrollieren.
Am dritten Flugtag erfolgte der Anflug und das Einfangen des HST sowie
die Verankerung in der Shuttle-Ladebucht. Am 14. Mai wurde während
des ersten Außenbordeinsatzes die neue Wide Field Camera 3 eingebaut.
Ein Tag später erfolgte die zweite EVA, bei der die sechs Schwungräder
zur Lagekontrolle sowie Batterien ausgetauscht wurden. Während
des sechsten Missionstages, am 16. Mai, erfolgte eine historisches Zäsur:
Nach 15 Betriebsjahren erfolgte der Austausch der COSTAR-Korrekturoptik
(s.o. STS-61) gegen den Cosmic Origins Spectrograph (COS). An den beiden
nachfolgenden Tagen wurden weitere Austausch- und Reparaturarbeiten
durchgeführt. Am neunten Missionstag waren die Arbeiten abgeschlossen
und das Telekop wurde wieder ausgesetzt. Am Missionstag 11 wurde die
Ausrüstung an Bord verstaut und der Orbiter auf die Landung vorbereitet.
Diese verzögerte sich aber um zwei Tage, da in Florida das Wetter
dafür zu schlecht war. Weil sich rechtzeitig keine grundlegende
Wetterbesserung einstellte, entschloss sich die NASA, die "Atlantis"
auf der Landebahn 22 der Edwards Air Force Base in Kalifornien landen
zu lassen. Diese erfolgte am 24. Mai nach 12 Tagen, 21 Stunden und 37
Minuten Missionsdauer. Da es sich bei dieser Mission definitiv um die
letzte Möglichkeit zur Ertüchtigung des HST handelte, ist
es nun auf sich allein gestellt und zukünftig aufkommende technische
Probleme können nur noch über die Boden-/Missionskontrolle
durchgeführt werden. Irgendwann werden Komponenten und die Instrumente
Defekte aufweisen und ihren Dienst quittieren. Und dann wird der Tag
kommen, an dem dieses großartige Weltraumteleskop komplett ausfallen
und für immer schweigen wird. Bleibt zu hoffen, dass dieser Tag
noch in der fernen Zukunft liegt, mit viel Glück vielleicht erst
in zehn Jahren. Denn ob das Nachfolge-Instrument, das James Webb Space
Telescope, bis dahin fertig gestellt sein wird und seinen Betrieb aufgenommen
hat – man verzeihe mir dieses Wortspiel –, steht noch in
den Sternen...
Zum
Missions-Report STS-125 des Kennedy Space Center
Ausblick — Die unsichere Zukunft des HST (Mission STS-107
und die Folgen)
Einer unsicheren Zukunft entgegen:
Das HST im Jahr 2009 Nach dem Verlust der "Columbia"
am 1. Februar 2003 hat die NASA die Entscheidung über das weitere
Schicksal des Hubble Space Telescope aufgeschoben. Nach ursprünglichen
Planungen war die nächste Service-Mission des HST für Ende
2004 und eine eventuelle Rückholung des Teleskops aus dem All nach
seiner Außerdienststellung 2010 vorgesehen. Eine weitere Service-Mission
ist nur mit dem Space Shuttle durchführbar und war damit davon
abhängig, wann die NASA den Flugbetrieb wieder aufnehmen und bis
wann das Space Transportation System noch eingesetzt werden würde.
Zeitweilig gab es Überlegungen bei der NASA, Space Shuttles nur
noch auf der Edwards Air Force Base in Kalifornien landen zu lassen.
Im Falle eines Falles würde kaum besiedeltes Gebiet überflogen
und die Bevölkerung wäre bei einem weiteren Unfall vor herabfallenden
Trümmerstücken weitgehend sicher. Auch sollten neue Starts
in Florida aus Sicherheitsgründen nur noch am Tag stattfinden,
um bessere Beobachtungsmöglichkeiten des Space Shuttles beim Aufstieg
zu gewährleisten. Das wiederum hätte einschneidende Auswirkungen
auf die Zahl der noch möglichen Starts gehabt. Beide Überlegungen
wurden aber bald darauf wieder verworfen.
Vor der "Columbia"-Katastrophe sollten die Space Shuttles
bis 2020 fliegen, kurz danach bis 2015 und seit 2005 nur noch bis 2010.
Danach sollten die drei verbliebenen Orbiter "Discovery",
"Atlantis" und "Endeavour" eingemottet, zu Museumsexponaten
degradiert und durch das Crew Exploration Vehicle (CEV) ersetzt werden.
Im Januar 2004 sagte die NASA eine fünfte Service-Mission des HST
ganz ab, weil das Unfallrisiko für zu groß eingeschätzt
wurde. Um das Risiko zu verringern, hätte zeitgleich ein zweites
Space Shuttle startbereit sein müssen, was aber aus Kostengründen
abgelehnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt sollten nur noch Missionen geflogen
werden, die bei Auftreten von Problemen die Internationale Raumstation
(ISS) als "sicheren Weltraumhafen" erreichen konnten. Das
Hubble Space Telescope umkreist die Erde aber fast doppelt so hoch wie
die ISS und in einer fast nur halb so hohen Bahnneigung (Inklination).
Aus physikalischen Gründen ist es dem Space Shuttle unmöglich,
von einem Hubble- in ein ISS-Orbit einzuschwenken.
Als Folge dieser Entscheidung des NASA-Administrators Sean O'Keefe sollte
das bewährte Aushängeschild der NASA einfach aufgegeben werden.
Nach unerwartet heftigen Protesten, nicht nur aus der Wissenschaft sondern
auch aus der Politik, sah sich die NASA-Führung damals zu einem
Kurswechsel genötigt. Nun wurde erwogen, einen Roboter für
eine Service-Mission zum Hubble Space Telescope zu schicken. Ein entsprechendes
Gerät wurde seit mehr als zehn Jahren bei der Universität
von Maryland entwickelt. Der Start dieser Mission sollte spätestens
2007 erfolgen, denn es zeigten sich bereits die ersten technischen Ausfallserscheinungen:
Zuerst stellte ein Schwungrad seinen Dienst ein, kurz darauf fiel das
STIS-Instrument aus. Sollte der Einsatz des Roboters nicht möglich
sein, wollte die NASA ersatzweise ein einfaches Antriebsmodul zum HST
schicken, dass das Weltraumteleskop gezielt zum Absturz auf die Erde
bringen sollte.
Auf Druck des US-Kongresses wurde die NASA angewiesen, den unabhängigen
Nationalen Forschungsrat (National Research Council, NRC) mit einer
Studie zur Zukunft des HST und weiterer Service-Missionen zu beauftragen.
Das Ergebnis der Studie lief den NASA-Strategen zuwider: Das NRC rückte
von der hohen Risiko-Einschätzung ab und vertrat die Ansicht, dass
eine HST-Mission genauso gefährlich sei wie eine der fast 30 ausstehenden
ISS-Missionen. Ebenso wurde der Einsatz einer Roboter-Mission sehr skeptisch
beurteilt. Die Kosten wurden als viel zu hoch betrachtet und es war
bereits abzusehen, dass das Gerät nicht rechtzeitig einsatzbereit
sein würde. Mitte Dezember 2004 trat Sean O'Keefe als NASA-Administrator
zurück und blieb kommissarisch bis zur Ernennung eines Nachfolgers
im Amt (O'Keefe hatte erst 2002 das Amt von Daniel Goldin übernommen).
Im Februar 2005 entschied O'Keefe, auch auf Grundlage des NRC-Berichtes,
die Roboter-Mission zu verwerfen. Mitte April 2005 bestätigte in
einer Anhörung vor dem amerikanischen Kongreß der designierte
NASA-Administrator Michael Griffin, eine neue bemannte Service-Mission
zum Hubble Space Telescope in Betracht zu ziehen.
Die NASA hatte zu der Zeit drei Optionen, mit dem Problem umzugehen:
Zuerst eine bemannte oder auch unbemannte Service-Mission, als zweites
den Bau eines "zweiten" Hubble Space Telescope, bestehend
aus zum Teil bereits vorhandenen Komponenten oder zum dritten die Entwicklung
eines deutlich leistungsfähigeren Nachfolge-Teleskops. Dieses Gerät
mit dem Namen "James Webb Space Telescope" befand sich seinerzeit
im Planungsstadium und hätte frühestens im Jahre 2011 mit
einer ARIANE 5-Rakete in die Erdumlaufbahn gestartet werden können.
Letztendlich entschied sich die NASA, 2009 eine fünfte und letzte
Mission zum HST durchzuführen. Um allen Kritikern und Bedenkenträgern
entgegenzukommen, entschloss sich die Raumfahrtbehörde zu einer
ungewöhnlichen und bis dahin nie vorgekommenen Vorgehensweise:
Parallel zur Mission STS-125 der "Atlantis" wurde ein zweites
Shuttle, die "Endeavour", auf der Startrampe 39B startbereit
gemacht. Dieses Shuttle mit seine nur vierköpfigen Besatzung sollte
als "Mission STS-400" quasi als Rettungsboot bereitstehen.
Für den Fall, das die "Atlantis" so schwer beschädigt
gewesen wäre, dass sie nicht mehr hätte zurückkommen
können und hätte aufgegeben werden müssen. Aber dazu
ist es ja glücklicherweise nicht mehr gekommen. Stattdessen wurde
die "Endeavour" nach der Landung von STS-125 zum LC-39A umgesetzt,
von der sie am 15. Juli zur Mission STS-127 zur ISS startete.
Aber wie es mit dem HST weitergehen soll, ist bisher keine beschlossene
Sache. Wie auch immer die NASA sich entscheidet, sie muß sich
bald entscheiden. Während auf der Erde diskutiert wird, werden
in der Erdumlaufbahn Fakten geschaffen. Das Hubble Space Telescope altert
weiter und sinkt immer tiefer. Unerbittlich, unaufhörlich. Die
Zeit drängt. Nicht, das wieder das gleiche geschieht wie mit der
"Skylab"-Raumstation 1979: Als die erfolgversprechenden Optionen
hätten gezogen werden können, war "Skylab" längst
verglüht und im Ozean versunken. Bleibt zu hoffen, das diesem einzigartigen
Meisterstück menschlicher Ingenieurskunst und Instrument wissenschaftlichen
Forscherdranges ein solch unrühmliches Ende erspart bleibt.
Godspeed, Hubble Space Telescope!
Internet-Links zum Hubble Space Telescope:
http://www.hubblesite.org (HST-Website
des STScI)
http://www.spacetelescope.org
(HST-Website der ESA)
http://hubble.esa.int (HST-Website
der ESA im Bereich Science&Technology)
http://hubble.nasa.gov (HST-Website
der NASA)
http://www.stsci.edu/institute/
(Space Telescope Science Institute Website)
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