"First Light" — Probleme zum Beginn einer neuen
Ära in der Astronomie
Von Beginn des ehrgeizigen Projekts an waren die Erwartungen der Astronomen
an ihr neues und einzigartiges Instrument sehr hoch, sollte das Hubble
Space Telescope doch vorher nie dagewesene astronomische Beobachtungen
und Entdeckungen ermöglichen.
Am 20. Mai kam für alle beteiligten Institutionen und Wissenschaftler
die Stunde der Wahrheit: Für das "Erste Licht" richtete
sich das HST auf den Sternenhaufen NGC 3532 aus, 1300 Lichtjahre von
der Sonne entfernt. Das empfangene Bild war jedoch unscharf. Ein solches
Ergebnis war erwartet worden, hatte man doch zu Beginn damit gerechnet,
verschiedene Justierungen durchführen zu müssen. Aber auch
bei anderen Objekten war die Bildqualität unbefriedigend. Nach
aufwändigen Untersuchungen kam die NASA zu dem Schluß, daß
das Herzstück des Teleskops, der Primärspiegel, in eine falsche
Form geschliffen worden sein mußte.
Zur Kontrolle der exakten Form des Spiegels benutzte die Herstellerfirma,
Perkin-Elmer Corporation, ein eigens dafür gebautes optisches Gerät.
Dieser Autokollimator (ein sogenannter Nullkorrektor), mit dem die computergesteuerten
Schleifmaschinen kalibriert wurden, wies unbemerkt eine Abweichung auf,
hervorgerufen durch eine winzige Unregelmäßigkeit. Diese
fehlerhafte "Eichung" des Prüfgerätes bedingte,
dass die Oberfläche des Primärspiegels an seinen Rändern
um 0,002 Millimeter zu flach geschliffen wurde. Die Folge war eine "sphärische
Aberration", so dass sich nur knapp 20% statt der berechneten 70%
des Lichtes im Brennpunkt konzentrierten.
Damit war klar: das Milliarden Dollar teure Hubble Space Telescope hatte
einen "Sehfehler"!
Das HST sah nur unscharf — und sollte eine "Sehhilfe"
bekommen
Die COSTAR-KorrekturoptikAuf drei
der fünf Instrumente hatte dieser Makel keinen Einfluß auf
die Leistungsfähigkeit. Betroffen waren die Kameras, die ihre Beobachtungen
überwiegend im sichtbaren Licht durchführten. Durch diese
ernste "Schlappe" geriet die NASA erneut unter starken Druck
der Öffentlichkeit. Nach gründlichen Überlegungen in
der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde zeichnete sich als
Lösung des Problems die Anfertigung einer speziellen "Sehhilfe"
durch weitere optische Elemente für das Teleskop ab. Eine nachträgliche
Korrektur war möglich, weil der Fehler des Autokollimators bei
einer genauen Untersuchung rekonstruiert werden konnte und der Spiegel
sehr genau in diese falsche Form gebracht worden war. Das HST war bewußt
weitgehend modular/standardisiert aufgebaut und von Anfang an für
regelmäßige Service- und Reparaturmissionen ausgelegt. Damit
war die Möglichkeit gegeben, dass mit der Zeit defekte oder veraltete
Geräte/Instrumente gegen neuere und leistungsfähigere ausgetauscht
werden konnten.
Spiegel-Schwenkarme der COSTAR-
Korrekturoptik im DetailDie Lösung des Problems war
eine etwa telefonzellengroße Box mit der Bezeichnung Corrective
Optics Space Telescope Axial Replacement, kurz COSTAR genannt. Dieses
Gerät enthält mehrere kleine Spiegel, die so geschliffen wurden,
daß sie den minimalen geometrischen Fehler des Primärspiegels
exakt ausgleichen konnten. Diese Spiegel sind zu fünf Paaren auf
kurzen Schwenkarmen angebracht und können in den Strahlengang der
drei axial plazierten Instrumente Schwachobjekt-Kamera, Schwachobjekt-Spektrograf
und Hochauflösungs-Spektrograf eingebracht werden. Gebaut wurde
die COSTAR-Korrekturoptik von Ball Aerospace in Boulder, Colorado, für
50 Millionen US-Dollar. Entwicklung und Bau mußten nach NASA-Vorgaben
innerhalb von nur 26 Monaten abgeschlossen sein.
Weil sich das Hochgeschwindigkeits-Fotometer (HSP) während seiner
Betriebszeit als am wenigsten effektiv herausgestellt hatte, sollte
es gegen die COSTAR-Korrekturoptik ausgetauscht werden. Der Austausch
sollte bei der ersten planmäßigen Servicemission vorgenommen
werden.
Mission STS-61 SM1 — Die erste Servicemission zum Hubble
Space Telescope
Crewemblem STS-61Am 2. Dezember
1993 startete das Space Shuttle "Endeavour" zum 59. Flug des
Programms. Es war der fünfte Einsatz der jüngsten Space Shuttle.
Mit an Bord befanden sich diesmal sieben Astronauten und eine große
Anzahl an Ersatzteilen für das Teleskop, darunter auch die COSTAR-Korrekturoptik.
Nach der Mondlandung mit Apollo 11 in Jahre 1969 sollte es die schwierigste
und komplexeste Mission der bemannten amerikanischen Raumfahrt werden.
Die NASA stand unter extremen Erfolgsdruck, zeitweilig wurde in der
Öffentlichkeit die Zukunft des Space Shuttle-Programms vom Erfolg
dieser Mission abhängig gemacht.
Während des ersten Außenbordeinsatzes tauschten die Astronauten
drei verschlissene Schwungräder des Lageregelungssystems aus und
setzten neue, stärkere Sicherungen ein. Beim zweiten Außenbordeinsatz
wurden die alten Solargeneratoren ebenfalls gegen neue und leistungsfähigere
ersetzt. Im Zuge des dritten Außenbordeinsatzes wurde die alte
Weitfeld/Planetenkamera (WF/PC) gegen eine neue (WF/PC2) ausgetauscht
und an der Teleskop-Öffnung zwei neue Magnetometer angebracht.
Die COSTAR-Korrekturoptik vor dem
Einbau in das Hubble Space TelescopeWährend des vierten
Außenbordeinsatzes wurde das Hochgeschwindigkeits-Fotometer (HSP)
gegen die COSTAR-Korrekturoptik ausgetauscht und dem HST die "Brille
aufgesetzt". Beim fünften und letzten Außenbordeinsatz
behoben die Astronauten Probleme mit den neuen Solargeneratoren und
führten Reparaturen am Hochauflösungs-Spektrograf (GHRS) des
Goddard Space Flight Center durch. Nach Abschluss der Außenbordaktivitäten,
die insgesamt 35 Stunden und 28 Minuten dauerten, hob das Space Shuttle
mit seinen Triebwerken die Umlaufbahn um mehrere dutzend auf rund 580
Kilometer Höhe an. Nach dem Wiederaussetzen des Hubble Space Telescope
landete die "Endeavour" am 13. Dezember 1993 nach 10 Tagen,
19 Stunden und 37 Minuten im Kennedy Space Center.
Zum
Missions-Report STS-61 des Kennedy Space Center
Links: Sternenfoto ohne COSTAR, rechts
gleicher Stern mit COSTAR abgelichtetBereits am 17. Dezember
1993 überprüfte eine Gruppe von Wissenschaftlern des STScI,
ob der "Eingriff" erfolgreich war. Erste astronomische Aufnahmen
bestätigten, dass die COSTAR-Korrekturoptik wie erwartet funktionierte.
Damit hatte das Hubble Space Telescope auch im Bereich des sichtbaren
Lichtes seine vollständige Leistungsfähigkeit erreicht.
Neben den vielen Aufnahmen von Planeten, interplanetarischer Nebeln
und Galaxien war die Beobachtung der 21 Bruchstücke des Kometen
Shoemaker-Levi 9 ein Höhepunkt, als diese am 16. Juli 1994 auf
den Jupiter stürzten.
Mission STS-82 SM2 — Die zweite Servicemission zum HST
Crewemblem STS-82Am 11. Februar
1997 startete das Space Shuttle "Discovery" zu seinem 22.
Flug und zum 82. Flug des Programms. Ziel der Mission und der siebenköpfigen
Crew war erneut das Hubble Space Telescope. Am dritten Missionstag wurde
das HST mit dem Greifarm des Space Shuttle eingefangen und in den Haltevorrichtungen
in der Ladebucht verankert. Am vierten Missionstag begann der erste
Außenbordeinsatz der Astronauten. Sowohl der Schwachobjekt-Spektrograf
(FOS) als auch der Hochauflösungs-Spektrograf (GHRS) wurden ausgebaut
und durch den Raumteleskop-Bildspektrograf (STIS) und das Gerät
Nah-Infrarotkamera/Multiobjekt-Spektrometer (NICMOS) ausgetauscht. Während
des zweiten Außenbordeinsatzes wurde ein defekter Feinsteuerungssensor
ersetzt und eine verbesserte Elektronik des Lageregelungssystems eingebaut.
Zudem wurde ein defekter Datenrekorder zur Aufzeichnung von technischen
und wissenschaftlichen Meßwerten repariert. Beim dritten Einsatz
am HST tauschten die Astronauten ein Bandaufzeichnungsgerät gegen
einen digitalen Datenrekorder und eine Datenschnittstelle aus. Während
des vierten Außenbordeinsatzes wurde die Motorelektronik der Solargeneratoren
erneuert, Schutzverkleidungen an den Magnetometern ausgetauscht und
Löcher in der Isolationsschicht der Teleskop-Außenhaut repariert.
Entgegen ursprünglicher Planung erfolgte ein fünfter Außenbordeinsatz,
damit weitere Schäden an der Isolationsschicht beseitigt werden
konnten. Während das Teleskop in der Ladebucht des Space Shuttle
verankert war, zündeten mehrmals die Manövriertriebwerke der
"Discovery", um die Umlaufbahn wieder um mehrere dutzend Kilometer
anzuheben. Nach Abschluß der Reparaturarbeiten wurde das HST am
19. Februar wieder ausgesetzt. Damit waren die Aufgaben dieser Mission
erfüllt und die "Discovery" kehrte am 21. Februar aus
dem All zurück. Die Landung erfolgte auf der Landebahn 33 des Kennedy
Space Center 9 Tage, 23 Stunden und 37 Minuten nach dem Start. Während
der fünf Außenbordeinsätze verbrachten die Astronauten
insgesamt 33 Stunden und 11 Minuten im Weltraum.
Zum
Missions-Report STS-82 des Kennedy Space Center
Mission STS-103 SM3A — Die dritte Servicemission zum
HST
Crewemblem STS-103Am 19. Dezember
1999 startete erneut das Space Shuttle "Discovery", um dem
Weltraumteleskop wieder einen Besuch abzustatten. Es war der 96. Flug
des Programms, der 27. Einsatz des "Arbeitspferdes" der NASA
und das dritte Mal in der Geschichte der US-Raumfahrt (nach Apollo 8,
1968 und Skylab 4, 1973/74), dass sich Astronauten über Weihnachten
im Weltraum befanden. Mit an Bord befanden sich auch diesmal sieben
Astronauten.
Das Rendezvous mit dem Hubble Space Telescope erfolgte am 21. Dezember.
Ende November war das HST in einen Sicherheitsmodus gegangen, weil das
vierte von sechs Schwungrädern zur Lageregelung versagte. Nach
dem Einfangen und der sicheren Verankerung in den Haltevorrichtungen
konnte am 22. Dezember mit dem ersten Außenbordeinsatz begonnen
werden. Hauptaufgabe der Astronauten war, alle sechs Schwungräder
gegen neue auszutauschen. Anschließend wurden eventuell vorhandene
gasförmige Reste des Kühlmittels (Stickstoffeis) des NICMOS-Instrumentes
abgelassen und Schutzgeräte eingebaut, die die betagten Akkus beim
Laden vor Überhitzung schützen sollten. Während des zweiten
Außenbordeinsatzes wurde der aus den 70er Jahren stammende Bordcomputer
gegen einen 486er-Rechner ausgetauscht. Als zweites wurde ein Feinsteuerungssensor
durch ein Gerät ersetzt, das 1997 während der Mission STS-82
ausgebaut und zwischenzeitlich repariert worden war. Beim dritten Außenbordeinsatz
wurde der erneuerte Feinsteuerungssensor neu verkabelt, ein S-Band-Tansmitter
der Kommunikationsanlage ersetzt und ein neuer digitaler Datenrekorder
eingebaut. Zum Schluss wurden Teile der bei der Mission STS-82 behelfsmäßig
angebrachten Isolationsschicht-Abdeckungen erneuert. Seit dem 21. Dezember
erfolgten mehrere Zündungen der Manövriertriebwerke des Space
Shuttle, um die Umlaufbahn der HST wieder anzuheben. Am 25. Dezember
wurde das Teleskop wieder im All ausgesetzt. Während der Außenbordeinsätze
hielten sich die Astronauten insgesamt 24 Stunden und 33 Minuten im
All auf. Die Mission STS-103 endete am 27. Dezember 1999 mit der 13.
Nachtlandung des Space Shuttle-Programms und der achten Nachtlandung
im Kennedy Space Center. Insgesamt dauerte die Mission STS-103 der "Discovery"
7 Tage, 23 Stunden und 10 Minuten.
Zum
Missions-Report STS-103 des Kennedy Space Center
Mission STS-109 SM3B — Die vierte Servicemission zum
HST
Crewemblem STS-109Am 1. März
2002 startete das Space Shuttle "Columbia" zur 108. Flug des
Programms und zu seinem 27. Einsatz. Es war die letzte erfolgreich beendete
Mission des dienstältesten Orbiters der NASA. Knapp ein Jahr später,
am 1. Februar 2003, ging die "Columbia" mit ihrer Crew nach
zwei Wochen in der Erdumlaufbahn beim Wiedereintritt in die Atmosphäre
verloren.
Zum bereits vierten Mal war das Hubble Space Telescope das Ziel der
ersten Mission im Jahr 2002. Wie bei den vorangegangenen Service-Missionen
hatte die siebenköpfige Crew die Aufgabe, das HST mit neuen technischen
Geräten auszustatten und auf eine höhere Umlaufbahn zu bringen.
Bereits am zweiten Flugtag wurde das Weltraumteleskop eingefangen und
in der Shuttle-Ladebucht verankert. Anschließend wurden die beiden
seit 1993 angebrachten Solargeneratoren eingefahren. Während des
ersten Außenbordeinsatzes wurde einer davon abmontiert und ersetzt.
Im Gegensatz zu den früher verwendeten Solargeneratoren werden
die neuen nicht mehr ausgerollt sondern ausgeklappt, sind 20% leistungsfähiger
und um etwa ein Drittel kleiner, was auch die Bremswirkung der Restatmosphäre
verringert. Dadurch verliert das HST weniger schnell an Höhe als
früher. Die neuen Solargeneratoren wurden erstmals nicht von der
ESA geliefert, sondern vom Goddard Space Flight Center entwickelt und
gebaut. Beim zweiten Außenbordeinsatz wurde dann der zweite Solargenerator
sowie ein Schwungrad ausgetauscht. Während des dritten Außenbordeinsatzes
wurde die komplexeste und kritischste Arbeit durchgeführt: Wegen
der stärkeren Solargeneratoren mußte die alte, noch aus den
achtziger Jahren stammende zentrale Strom-Kontrolleinheit gegen eine
leistungsfähigere ausgetauscht werden. Dafür mußte das
HST zum ersten Mal seit 1990 komplett abgeschaltet werden. Fünf
Stunden nach der "Vollnarkose" konnte das Weltraumteleskop
problemlos reaktiviert werden, nachdem die 36 vorher gelösten Stromverbindungen
korrekt wiederhergestellt waren. Im Zuge des vierten Außenbordeinsatzes
wurde die Schwachobjekt-Kamera (FOC) gegen ein neues, fortgeschrittenes
Kamerasystem ausgetauscht. Die FOC war das letzte verbliebene wissenschaftliche
Instrument der technischen Erstausstattung des HST von 1990. Damit hatte
dann auch die COSTAR-Korrekturoptik ausgedient, weil die übrigen
Instrumente den optischen Fehler des Primärspiegels selbst ausgleichen
konnten (Die COSTAR-Korrekturoptik verblieb aber noch im Teleskop und
sollte bei der nächsten Service-Mission gegen ein wissenschaftliches
Instrument ausgetauscht werden).
Danach wurde ein Steuergerät für ein neues mechanisches Kühlsystem
in das NICMOS-Instrument eingebaut. Durch den unerwartet schnellen Verbrauch
des mitgeführten Kühlmittels durch ein "Kälteleck"
war dieses Instrument bereits knapp drei Jahre zuvor ausgefallen. Während
des fünften und letzten Außenbordeinsatzes wurde das neue
Kühlsystem in das NICMOS-Instrument eingebaut und mit dem zuvor
installierten Steuergerät verbunden. Am 9. März wurde das
Hubble Space Telescope wieder im All ausgesetzt.
Nach 10 Tagen, 22 Stunden und 11 Minuten Missionsdauer setzte das Space
Shuttle "Columbia" zum letzten Mal zur Landung auf der Landebahn
33 des Kennedy Space Center auf.
Zum
Missions-Report STS-109 des Kennedy Space Center
Ausblick — Die unsichere Zukunft des HST (Mission STS-107
und die Folgen)
Einer unsicheren Zukunft entgegen:
Das HST im Jahr 2006 Nach dem Verlust der "Columbia"
am 1. Februar 2003 hat die NASA die Entscheidung über das weitere
Schicksal des Hubble Space Telescope aufgeschoben. Nach ursprünglichen
Planungen war die nächste Service-Mission des HST für Ende
2004 und eine eventuelle Rückholung des Teleskops aus dem All nach
seiner Außerdienststellung 2010 vorgesehen. Eine weitere Service-Mission
ist nur mit dem Space Shuttle durchführbar und war damit davon
abhängig, wann die NASA den Flugbetrieb wieder aufnimmt und bis
wann das Shuttle Transportation System noch eingesetzt werden würde.
Zeitweilig gab es Überlegungen bei der NASA, Space Shuttles nur
noch auf der Edwards Air Force Base in Kalifornien landen zu lassen.
Im Falle eines Falles wird kaum besiedeltes Gebiet überflogen und
die Bevölkerung wäre bei einem weiteren Unfall vor herabfallenden
Trümmerstücken weitgehend sicher. Auch sollten neue Starts
in Florida aus Sicherheitsgründen nur noch am Tage stattfinden,
um bessere Beobachtungsmöglichkeiten des Space Shuttles beim Aufstieg
zu gewährleisten. Das wiederum hätte einschneidende Auswirkungen
auf die Zahl der noch möglichen Starts gehabt. Beide Überlegungen
wurden aber bald darauf wieder verworfen.
Vor der "Columbia"-Katastrophe sollten die Space Shuttles
bis 2020 fliegen, kurz danach bis 2015 und seit 2005 nur noch bis 2010.
Danach sollten die drei verbliebenen Orbiter "Discovery",
"Atlantis" und "Endeavour" eingemottet, zu Museumsexponaten
degradiert und durch das Crew Exploration Vehicle (CEV) ersetzt werden.
Im Januar 2004 sagte die NASA eine fünfte Service-Mission des HST
ganz ab, weil das Risiko für zu groß eingeschätzt wurde.
Um das Risiko zu verringern, hätte zeitgleich ein zweites Space
Shuttle startbereit sein müssen, was aber aus Kostengründen
abgelehnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt sollten nur noch Missionen geflogen
werden, die bei auftreten von Problemen die Internationale Raumstation
(ISS) als "sicheren Weltraumhafen" erreichen konnten. Das
Hubble Space Telescope umkreist die Erde aber fast doppelt so hoch wie
die ISS und in einer fast nur halb so hohen Bahnneigung (Inklination).
Aus physikalischen Gründen ist es dem Space Shuttle unmöglich,
von einem Hubble- in ein ISS-Orbit einzuschwenken.
Als Folge dieser Entscheidung des NASA-Administrators Sean O´Keefe
sollte das bewährte Aushängeschild der NASA einfach aufgegeben
werden. Nach unerwartet heftigen Protesten, nicht nur aus der Wissenschaft
sondern auch aus der Politik, sah sich die NASA-Führung zu einem
Kurswechsel genötigt. Nun wurde erwogen, einen Roboter für
eine Service-Mission zum Hubble Space Telescope zu schicken. Ein entsprechendes
Gerät wurde seit mehr als zehn Jahren bei der Universität
von Maryland entwickelt. Der Start dieser Mission sollte spätestens
2007 erfolgen, denn es zeigten sich bereits die ersten technischen Ausfallserscheinungen:
Zuerst stellte ein Schwungrad seinen Dienst ein, kurz darauf fiel das
STIS-Instrument aus. Sollte der Einsatz des Roboters nicht möglich
sein, wollte die NASA ersatzweise ein einfaches Antriebsmodul zum HST
schicken, dass das Weltraumteleskop gezielt zum Absturz auf die Erde
bringen sollte.
Auf Druck des US-Kongresses wurde die NASA angewiesen, den unabhängigen
Nationalen Forschungsrat (National Research Council, NRC) mit einer
Studie zur Zukunft des HST und weiterer Service-Missionen zu beauftragen.
Das Ergebnis der Studie lief den NASA-Strategen zuwider: Das NRC rückte
von der hohen Risiko-Einschätzung ab und vertrat die Ansicht, dass
eine HST-Mission genauso gefährlich sei wie eine der fast 30 ausstehenden
ISS-Missionen. Ebenso wurde der Einsatz einer Roboter-Mission sehr skeptisch
beurteilt. Die Kosten wurden als viel zu hoch betrachtet und war bereits
abzusehen, dass das Gerät nicht rechtzeitig einsatzbereit sein
würde. Mitte Dezember 2004 trat Sean O´Keefe als NASA-Administrator
zurück und blieb kommissarisch bis zur Ernennung eines Nachfolgers
im Amt (O´Keefe hatte erst 2002 das Amt von Daniel Goldin übernommen).
Im Februar 2005 entschied O´Keefe, auch auf Grundlage des NRC-Berichtes,
die Roboter-Mission zu verwerfen. Mitte April 2005 bestätigte in
einer Anhörung vor dem amerikanischen Kongreß der designierte
NASA-Administrator Michael Griffin, eine neue bemannte Service-Mission
zum Hubble Space Telescope in Betracht zu ziehen.
Die NASA hat zur Zeit drei Optionen, mit dem Problem umzugehen: Zuerst
eine bemannte oder auch unbemannte Service-Mission, als zweites den
Bau eines "zweiten" Hubble Space Telescope, bestehend aus
zum Teil bereits vorhandenen Komponenten oder zum dritten die Entwicklung
eines deutlich leistungsfähigeren Nachfolge-Teleskops. Dieses Gerät
mit dem Namen "James Webb Space Telescope" befindet sich derzeit
im Planungsstadium, könnte aber frühestens im Jahre 2011 mit
einer ARIANE 5-Rakete in die Erdumlaufbahn gestartet werden.
Wie auch immer die NASA sich entscheidet, sie muß sich bald entscheiden.
Während auf der Erde diskutiert wird, werden in der Erdumlaufbahn
Fakten geschaffen. Das Hubble Space Telescope altert weiter und sinkt
immer tiefer. Unerbittlich, unaufhörlich. Die Zeit drängt.
Nicht, das wieder das gleiche geschieht wie mit der "Skylab"-Raumstation
1979: Als die erfolgversprechenden Optionen hätten gezogen werden
können, war "Skylab" längst verglüht und im
Ozean versunken. Bleibt zu hoffen, das diesem einzigartigen Meisterstück
menschlicher Ingenieurskunst und Instrument wissenschaftlichen Forscherdranges
ein solch unrühmliches Ende erspart bleibt.
Godspeed, Hubble Space Telescope!
Hubble Space Telescpe — Die wichtigsten Fakten
Am 24. April 2005 hat das Hubble-Weltraumteleskop seine projektierte
Dienstzeit von 15 Jahren überschritten. Mittlerweile hat es die
Erde in 600 km Höhe mehr als 80.000-mal umrundet und dabei eine
Strecke zurückgelegt, die mehr als 25-mal der Entfernung der Erde
von der Sonne entspricht - fast vier Milliarden Kilometer!
Dabei hat es mit seinen diversen Instrumenten 700.000 Bilder von 22.000
verschiedenen astronomischen Objekten aufgenommen. Die dabei übermittelte
Datenmenge umfaßt 20 Terabytes, aus denen mehr als 6.000 wissenschaftlich
Fachveröffentlichungen hervorgegangen sind.
Internet-Links zum Hubble Space Telescope:
http://www.hubblesite.org (HST-Website
des STScI)
http://www.spacetelescope.org
(HST-Website der ESA)
http://hubble.esa.int (HST-Website
der ESA im Bereich Science&Technology)
http://hubble.nasa.gov (HST-Website
der NASA)
http://www.stsci.edu/institute/
(Space Telescope Science Institute Website)
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